Statistik als Lebenslage

Das Wort Statistik ist in den Ohren, zutreffender wohl in der Nase, vieler Menschen anrüchig und klingt ziemlich unanständig. Jeder weiß, daß man mit Statistik - man muß sie nur klug fälschen - eine Menge Dinge beweisen kann, die es so nicht gibt.

Mir fällt da zunächst ein, daß die Statistiker angeblich beweisen können, daß wir es seit Einführung des Euro nur mit einer „gefühlten Teuerung“ zu tun haben. Der Trick geht so: Es wird der durchschnittliche Preis für einen sog. Warenkorb ausgerechnet. Die Preise in zwei aufeinanderfolgenden Jahren werden verglichen und das Ergebnis der Erhöhung liegt dann bei 2% oder darunter. Was in dem Korb drin ist und wie der Durchschnitt ermittelt wurde, das bleibt Otto-Normalverbraucher üblicherweise verborgen. Er stellt nur fest, daß er für seinen Wocheneinkauf, bei dem er im vergangenen Jahr noch mit 60-70 Euro ausgekommen ist, jetzt 80-90 Euro braucht und das sind gefühlte mehr als 10% mehr in einem Jahr. Diese Zahl ist natürlich nur ungefähr gemeint und berücksichtigt vor allen Dingen das Gefühl derjenigen, die zwei Jahre vor dem Abitur das Fach Mathematik abgewählt haben.

Mit so einer Statistik läßt sich trefflich beweisen, daß es uns gar nicht so schlecht geht, unsere Lebenslage also alles in allem gut ist. Das ist der Sinn der Statistik! Darauf kommt es sog. Politikern an, die demnächst wiedergewählt werden wollen. Mit einer Statistik kann man notorischen Meckerern das Wasser abgraben.

Aber so einfach wie beim Wocheneinkauf ist das nicht für alle Lebenssituationen. Das hatte sich wohl auch der Landrat gedacht und - so macht man das, wenn man selbst zu wenig Durchblick hat - eine Studie in Auftrag gegeben. Sechs junge Leute von der Universität Potsdam, vier Damen und zwei Herren, haben dem Landrat eine Sammlung von statistischen Aussagen angefertigt, wohl in erster Linie um ihm die Mühe abzunehmen, selbst in statistischen Jahrbüchern blättern zu müssen.

Das Werk liegt nun als sog. „Lebenslagenbericht für den Landkreis Barnim“ vor, immerhin stolze 244 Seiten + Inhaltsverzeichnis: 700 Gramm weißes Papier. Die Leser erfahren für die verschiedensten Lebensbereiche wie z. B. Sozialleistungen, Wohnen, Bildung, Verkehr und Gesundheit, ob es uns heute besser geht als vor einigen Jahren, ob es uns besser oder schlechter geht als im Land Brandenburg oder in Deutschland. Wer aufmerksam liest, der stellt fest, daß wir uns - rein statistisch - in einer Periode des Niedergangs befinden. Der Barnim ist - von Ausnahmen abgesehen - Schlußlicht. Das ist für viele Barnimer, besonders im Alter zwischen 15 und 30 Jahren, offenbar nicht neu. Sie kannten und kennen zwar den Lebenslagenbericht nicht, aber sie haben - rein gefühlsmäßig versteht sich - begriffen, daß es für sie das beste ist, dem Barnim ganz schnell den Rücken zu kehren. Diese Tendenz dauert voraussichtlich noch ein paar Jahre an, besonders im Oberbarnim.

Hier will, hier muß der Landrat gegensteuern. Das ist nicht nur sein Recht sondern - auch in seinem ganz persönlichen Interesse - seine Pflicht. Daß der Niederbarnim, also die Region um die S-Bahn nach Bernau, hier durchaus positiv aus der Reihe tanzt, hat nichts mit der Lebenslage im Barnim sondern mit der Nähe Berlins etwas zu tun.

Nun hat der Landrat für den Lebenslagenbericht von unserem Steuergeld 10.000 Euro ausgegeben. Das Geld - wahrlich keine fürstliche Entlohnung für sechs junge Wissenschaftler für ein Jahr - ist gut angelegt, wenn der Bericht mithilft, die Lebenslage der Bürger im Barnim zu verbessern. Nur das konnte ja das Ziel sein! So eine statistische Sammlung sagt naturgemäß nichts aus über das „wie“, aber - wenn man der besten Tageszeitung im Barnim, unserer einzigen MOZ, glauben darf - es gibt in der Kreisverwaltung und im Barnim ausgesprochene ExpertInnen, die sicher wissen, wie man zum Wohle der Bürger mit der Statistik umgeht. Jetzt gilt es, zu analysieren. Jetzt müssen, im Ergebnis der Analysen, tragfähige Konzepte her. Hoffen wir und wünschen wir uns, daß wir die in den nächsten Wochen und Monaten im Kreistag beschließen können.